Auf dem Weg zu einem gesunden Arbeitsplatz
Ein Interview darüber, wie die Digitalisierung die betriebliche Gesundheitsförderung verändert
Teil 2: Welche Unterstützung bieten digitale Tools und wie können Unternehmen sie einsetzen?
Unsere Kollegin Sonja Heinemann ist Expertin für das Thema „Betriebliche Gesundheitsförderung“. Zusammen mit weiteren Kolleg:innen entwickelt sie innovative Konzepte und Ideen zur Nutzung digitaler Tools in der Gesundheitsförderung. In diesem Interview gibt uns Sonja Heinemann Einblicke in ihre Arbeit und verrät uns, warum nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch Unternehmen unmittelbar von der betrieblichen Gesundheitsförderung profitieren.
Im ersten Teil des Interviews sprachen wir über Maßnahmen und den konkreten Nutzen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Als Mittelstand-Digital Zentrum liegt unser Fokus vor allem auf der Digitalisierung und deshalb werden wir im zweiten Teil des Interviews über den Einsatz und Nutzen digitaler Tools in der betrieblichen Grsundheitsförderung sprechen.
Welchen Einfluss hat denn die Digitalisierung auf die betriebliche Gesundheitsförderung? Und was hat sich verändert?
Sonja Heinemann: Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten für Unternehmen, aber auch für Mitarbeitende, die Maßnahmen effizienter und zielgerichteter zu gestalten, aber auch zugänglicher zu machen. Mit Hilfe von digitalen Tools können z.B. Daten erhoben werden und Maßnahmen darauf angepasst werden. Ein Beispiel, dass sicherlich schon viele kennen, sind sogenannte Fitnessuhren. Diese können z.B. Schritte zählen und deine Herzfrequenz messen und dir so individuelle Empfehlungen geben. Digitale Plattformen oder Apps erleichtern zudem den Zugang zu Informationen und können Maßnahmen mit einem spielerischen Ansatz verknüpfen.
Das nennt man Gamification, oder?
Sonja Heinemann: Gamification meint die Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge. Das kann die visuelle Gestaltung von Tools betreffen, aber auch die Benutzung, die man z.B. durch Level, verschiedene Schwierigkeitsgrade, Challenges oder ein Belohnungssystem anreichert. Ziel ist es, die Informationsaufnahme, das Lernen oder die Durchführung von Aufgaben zu erleichtern und die Motivation zu erhöhen. Man kann das sehr gut mit dem Erlernen einer Sportart vergleichen: Fußballspielen lernt man nun mal auf dem Platz und nicht in Theoriebüchern. Gamification Elemente sollen den Spaßfaktor bei der Nutzung erhöhen und z.B. durch die Visualisierung des eigenen Fortschritts die Motivation erhöhen.
Ein weiterer Vorteil von digitalen Tools, wie z.B. einer App oder Fitnessuhr ist, dass sie flexibel und recht einfach genutzt werden können. Für viele Menschen gehören diese Tools mittlerweile zum alltäglichen Leben. Erinnerungsfunktionen sorgen dann zusätzlich für Kontinuität in der Nutzung – die Möglichkeiten sind wirklich vielfältig.
Du hast gerade eine App angesprochen. Ist das nicht auch ein Projekt, an dem du gerade zusammen mit einem Kollegen arbeitest?
Sonja Heinemann: Ja, wir sind gerade dabei, für ein mittelständisches Unternehmen eine prototypische App zu entwickeln, die den Mitarbeitenden dabei helfen soll, gesundheitsfördernde Maßnahmen besser in den Alltag zu integrieren. Die Idee dafür ist in einem gemeinsamen Prozess mit den Mitarbeitenden des Unternehmens entstanden. Wir haben mit Beschäftigten aus verschiedenen Unternehmensbereichen Interviews und Workshops durchgeführt, um herauszufinden, wo Unterstützungsbedarf besteht und wie die gesundheitsfördernden Maßnahmen am besten in den Arbeitsalltag integriert werden können. Dabei kam heraus, dass vor allem eine kontinuierliche und langfristige Umsetzung als Herausforderung gesehen wird. Die Beschäftigten hatten die Befürchtung, es würde im Arbeitsalltag untergehen. Mit der App wollen wir versuchen, dieses Problem anzugehen und den Mitarbeitenden ein Instrument an die Hand geben, das sie intuitiv und leicht in den Arbeitsalltag integrieren können.
Wie ist dein Fazit? Geht die Idee auf?
Sonja Heinemann: Aktuell ist die App in der Testung. Wir haben die Anregungen aus den Interviews und Workshops aufgegriffen und in die Entwicklung der App einfließen lassen. Nun müssen wir schauen, ob es den Anforderungen der Beschäftigten entspricht. Dazu sammeln wir momentan Feedback des Unternehmens und schauen, wo ggf. noch Anpassungen und Verbesserungen notwendig sind und, ob unser Plan aufgeht (grinst).
Wir werden das Projekt gespannt weiter verfolgen. Bei all den Vorteilen, die du genannt hast, die digitale Tools mit sich bringen, wo siehst du Herausforderungen?
Sonja Heinemann: Bei der Einführung digitaler Lösungen stehen Unternehmen grundsätzlich vor gewissen Herausforderungen. So ist das auch in diesem Fall. Die Nutzung eines Tools hängt oftmals von der Benutzerfreundlichkeit ab – hiermit steht und fällt auch die Akzeptanz. Es ist daher wichtig, die Mitarbeitenden von Beginn an in den Prozess einzubeziehen und ihre Bedarfe, Wünsche und Erfahrungen einfließen zu lassen.
Bei der Einführung können dann Schulungen helfen. Eine App alleine kann aber noch nicht viel erreichen. Die Tools müssen in die Unternehmensprozesse integriert und in der Unternehmenskultur verankert werden, um wirksam zu sein. Darüber sprachen wir schon im ersten Teil des Interviews.
Sonja Heinemann: Ja genau. Ein ganzheitlicher Ansatz, den alle unterstützen, ist enorm wichtig. Sonst helfen auch digitale Tools nichts. Und überhaupt, sollte man die Tools eher als eine Unterstützung, ein Instrument zur Umsetzung sehen und nicht als alleiniges Mittel.
Das wäre ein schöner Schlusssatz gewesen, ich habe aber noch eine Frage, die mir unter den Nägeln brennt. Du hast gesagt, dass viele Menschen digitale Tools sowieso schon in ihrem Alltag nutzen und die Bedienung oft intuitiv ist. Was ist mit den Mitarbeitenden, auf die das nicht zutrifft. Wie viel digitale Kompetenz ist erforderlich und wie holst du diejenigen ab, die nicht so digital affin sind?
Sonja Heinemann: Es ist sehr wichtig – übrigens nicht nur in Bezug auf die betriebliche Gesundheitsförderung – alle Mitarbeitenden im Unternehmen mitzunehmen. Besonders diejenigen, die digitalen Technologien gegenüber weniger aufgeschlossen sind oder nicht so erfahren in der Nutzung. Deshalb verfolgen wir einen menschzentrierten Ansatz und binden die Beschäftigen aktiv mit ein. Je früher Mitarbeitende integriert werden und je mehr sie mitgestalten können, desto höher ist die Akzeptanz und umso erfolgreicher die spätere Nutzung. Zudem spielt die Benutzerfreundlichkeit der Tools eine große Rolle. Die Bedienung sollte einfach von der Hand gehen und keinen großen Lernprozess erfordern. Eine Nutzeroberfläche, die ansprechend gestaltet ist, lädt zudem zum Ausprobieren ein. Unternehmen, die digitale Technologien einführen, sollten versuchen, ihren Mitarbeitenden die Angst zu nehmen und Vorteile aufzeigen. Schulungen und die gegenseitige Unterstützung von Kolleg:innen kann ebenfalls bei der Aneignung helfen.
Liebe Sonja, vielen Dank für das interessante interview, die spannenden Einblicke und viel Erfolg bei deinen Projekten!